Wäre nicht die Art, wie die uns vertrauten „Wesen“ des Wohnens auf dem Grundstück landen, eine wunderbare Gelegenheit, den Ort, sein Umfeld und die Welt rundherum endlich zu entdecken?

Der Wettbewerb wurde im Rahmen des experimentellen Modellvorhabens des Bayerischen Regierung „Effizient bauen - leistbar wohnen – Mehr bezahlbare Wohnungen für Bayern“ ausgeschrieben. Auf dem Grundstück zwischen Stadtzufahrt und Donau soll eine Bebauung errichtet werden, die circa 130 geförderten Wohnungen und den entsprechenden Folgeeinrichtungen Raum bietet. Neben dem Anspruch an effiziente und kostengünstige Bauweise liegt die Herausforderung im Umgang mit der konkreten Situation: die schall-exponierte Lage suggeriert den Rückzug und eine Abwendung von der Umgebung, während die Nähe zum Donauraum und der Blick zum Stadtpanorama nach Höhe und Ausblick verlangt.


5 Experimente generieren den großen Ingolstädter Ressourcencoup. Die 5 Experimente entwickeln Innovationen in Typologie, Territorium, Konfiguration, Topologie und Infrastruktur. In ihrem Zusammenspiel setzen die Experimente umfassende Mehrwerte/Ressourcen frei. Durch diesen Coup der Ressourcen wird der Ort neu entdeckt!

DIE NEUENTDECKUNG DES ORTES – WEITES PANORAMA IM BAUMKRONENMEER

Rücken wir den Ort ins Zentrum, dann entdecken wir einen Mittelpunkt für ein einzigartiges Panorama: ein weiter Horizont unterschiedlicher Silhouetten von Landschaft und Gebautem.

Radikale Vereinfachung

Der schwermütig auf einem Unterbau ruhende „Punkthaus-Klassiker“ wird in leichtfüßige, Prototypen zerlegt: die „SUPER-SIMPELs“, ganz einfache Kerle! Sie sind frei von der Bürde, unterschiedliche Logiken unter ein Dach zu bringen (Wohnen, Tiefgarage, Treppenhaus). Stattdessen reduzieren sie ihre Performance auf ein einziges Thema: die Wohnung selbst. Immer 2 Einheiten pro Geschoß, immer gleich gestapelt. Keine bauphysikalischen Manöver (warm/kalt). Keine konstruktiven Irritationen (Wohnen über Garage). Keine unterirdischen Bauteile („dunkle BGF“).

VERDREHUNG

Die simplen Typen drehen sich in die optimale Orientierung: weg von der Straße, hin zum Ausblick.

Die Punktlandung – Der Ort wird zum genius loci.

Die spezielle Landung der Prototypen „enthüllt“ die einzigartige Qualität des Ortes: 3 intelligente Cluster im grünen Hain (Ergänzung des Baumbestands) geben dem Ort einen neuen Horizont. Mit der Nähe zum Donauufer, der guten Anbindung und dem einzigartigen Horizont entsteht eine hochattraktive Wohnadresse.

Vielfältige Orientierung

Durch das Freispielen der simplen Typen erhält jede Wohnung eine Orientierung über Eck und hat somit Anteil am Ingolstädter Panorama.

Minimierung straßenseitiger Fassaden

Bei gleichzeitiger Kompensation durch Mehrfachorientierung, Westsonne, Ausblick und bauliche Puffermaßnahmen (Loggia, Laibung).

INFRASTRUKTUR ALS FREIRAUM – „Hauptplatz“ am Parkhausdach

Das Dach des zentral gelegenen Parkhauses bildet den Hauptplatz des Quartiers: eine 8 m über dem Boden liegende Lichtung im Hain als identitätsbildende Mitte. Stege führen von den Treppenhäusern zum Hauptplatz. Ein kleiner Gemeinschaftraum zwischen Steg und Treppenhaus bietet Gelegenheit für unterschiedliche Aktivitäten der BewohnerInnen (Wellness, Kinderspiel, Küche).

Nackte BGF

Tiefgarage und Keller werden nicht eingegraben, sondern aus dem Boden gehoben. Das Volumen ist wesentlich günstiger in der Errichtung (Grundwasserspiegel!) und noch dazu nachnutzbar!

1 + 1 + 1 = MEHR!

Wir sind alle einfach. JEDOCH: zusammen sind wir einfach mehr: Einfachsein als Mehrwert! 2 Wohnungen pro Geschoss mit je 3 Ausrichtungen

Schallschichten

Bis OG3 schützen die straßenseitigen Wände. Ab dem OG4 fungiert die Spanische Loggia als Schallpuffer. Bis OG3 wohnt man im Hain, ab OG4 hat man das Panorama über dem Baumkronenmeer.

Konfiguration / kombinatorische Exzellenz

Die Anordnung der simplen Typen reagiert auf Lärm und Ausblick. Zusammen können sie wieder eine kompakte Figur bilden.

MEHRWERT TREPPENHAUS!

Die Ausrichtung der Wohnungen zum attraktiven, natürlich belichteten Treppenhaus begünstigt nachbarschaftliche Kontakte, die über das Öffnen/Schließen der Türen auf einfachste Weise gesteuert werden können. Die X-Treppe (2 Fluchtrichtungen) ermöglicht temporäres Möblieren für spontane Aktivitäten in den Etagen und erspart das Anleitern der Feuerwehr für den 2. Rettungsweg (keine Feuerwehraufstell- und Fahrflächen im Hain).

‘NACHNUTZEN’ – Wohnen oder Arbeiten statt Parken!

Die oberen Geschoße der Hochgarage können bei sich veränderndem Mobilitätsverhalten (weniger Stellplätze) durch Sollbruchstellen einfach zu einer Hoftypologie umgebaut werden. Der Hauptplatz wächst in den Hof nach unten.

Auf der Ebene des Waldbodens präsentiert sich das Parkhaus wie ein Waldhaus mit Stützen, die wie die Baumstämme lesbar sind. Es integriert ein zentrales, überdachtes Freiraumfoyer als Schnittstelle zwischen langsamer und motorisierter Mobilität. Hier befinden sich überdachte Fahrradanlehnbügel. Die Begrünung des Parkhauses mit Kletterpflanzen lässt den offene Raum als überdachten Freiraum spüren und die Waldrebe statt den Autos riechen.

VORFERTIGEN OHNE AUFRÜSTEN!

Kerngedämmte Elemente mit fertiger Betonfassade (kostengünstige Industriebauweise) mit glatter Innen- und rauer Außenseite ermöglichen kostengünstiges Bauen ohne Baugerüst. Auch werden durch die wesentlich längere Lebensdauer gegenüber dem WDV-System Erhaltungskosten deutlich eingespart.

Aufgießen mit Pfiff! Vorfertigen ohne Aufrüsten! Entschlackte Räume durch Fertigbäder!

Lediglich auf den Filigranträgerelementen, in denen Rohrregister für Heizen/Kühlen eingelegt sind (rasch reagierende, energiesparende Strahlungsheizung) wird noch ein finaler Beton-Aufguss aufgebracht.
Mit Ausnahme von Licht und Strom konzentriert sich die gesamte Haustechnik-Infrastruktur im Fertigbad- und Fertigschachtelement, die beide vorfabriziert bzw. vorverrohrt angeliefert und in der Ausbauphase eingebracht werden. Das System minimiert die Schnittstellen zwischen Gewerken, spart Zeit, Material, Geld und sichert höchste Ausführungsqualität.

ENERGIE COUP!

Das Objekt wird wirtschaftlich in bestmöglicher thermischer Qualität aus Fertigteilen gebaut. Ein System aus kerngedämmten Öko-Beton-Platten mit raumnaher Deckenheizung hilft, auf tiefem Temperaturniveau (Solar-)Wärme zu speichern und den Rücklauf der Fernwärme so kühl als möglich zu gestalten (Energiekaskaden!). 30% Solar-Energiebeitrag beim Heizen und 90% Solarenergiebeitrag bei Warmwasser sind in der Jahresbilanz ca. 40% Energieersparnis. Diese kann die Fernwärme für die Versorgung anderer Kunden verwenden!

Fertigteil-Technologie wird Ressourcen-Generator!

Die Halbfertigteil-Flachdecke in Elementbauweise mit 20 cm wird aus Filigranträgerelementen hergestellt, die Rohrregister zum Heizen/Kühlen (Strahlungsprinzip) integrieren.

SPANISCHE LOGGIA: ENERGIE-EFFIZIENZ

Die SPANISCHE LOGGIA als warme Loggia vermeidet das Eindringen von Kälte und Wasser in die Hülle und erhöht den Nutzwert. Schallschluckende Laibungen ermöglichen ruhiges Wohnen bei geöffneten Fenstern. DIe Kippstellung der Loggiatüren nach außen bei geschlossenen Jalousien ist durch spezielle Detaillierung möglich.

SPANISCHE LOGGIA: Wählbare Vielfalt!

Die spanische Loggia ist eine aus den Recherchen zu Produktperformance, Ökonomie und Ästhetik hervorgegangene Neuentwicklung. Als warme Loggia werden bauphysikalische Störungen der Gebäudehülle vermieden, gleichzeitig steigt der Nutzwert entscheidend: Die in der Fassade liegende, nach außen öffenbare, raumhohe Doppelflügeltür (zertifiziertes Produkt) erfüllt den erforderlichen Wärme- und Schallschutz. Außen liegt ein kompakter Stahlbalkon, dessen Freiraum sich durch die großzügige Doppeltüre als warme Loggia ins Innere fortsetzt. Größe (klassisch/Wintergarten/Freizimmer) sowie Material (Vorhang/Polycarbonat/Glas) können von den BewohnerInnen bestimmt werden. Für den zur Straße exponierten Fassadenanteil schafft die Spanische Loggia zusätzliche Puffermöglichkeiten (3-fach-Verglasung der Doppelflügeltüre plus Innere Einfachverglasung).

SPANISCHE LOGGIA: Wählbare Vielfalt!

Die BewohnerInnen können je nach Bedürfnis die Loggiagröße und Material der Innenhaut wählen. Bei straßenorientierten Fassaden fungiert die Loggia als Schallpuffer.

Die Wohnungen

Jeder Typ erlaubt eine spezifische Kombinatorik von Wohnungstypen. Gemeinsam bieten sie maximale Wohnvielfalt.

Die Wohnungen

Jeder Typ erlaubt eine spezifische Kombinatorik von Wohnungstypen. Gemeinsam bieten sie maximale Wohnvielfalt.

HAUPTPLATZ – Über dem Baumdach Platz nehmen

Der von allen Häusern über Brücken und das Parkhaus erreichbare Hauptplatz ist der Treffpunkt für alle Bewohner. Hier hat man einen tollen Blick über den Auwald. Als möglichst offener Nutzungsraum erweitert er das Angebot der Gemeinschaftsräume in den Freiraum. Direkt an den Bewegungs- und Kinderspielraum lagert sich ein Spielteppich mit Kleinkinderspielgeräten an. Bei der Küche befindet sich ein großer Gemeinschaftstisch und Kräuterbeete. Der Höhenunterschied mit den zentralen Rampen bildet Sitzstufen, die als Bühne oder zum Fußball schauen genutzt werden kann. Zwei Pergolen bieten Schattenräume, Kleinbäume in Pflanztrögen und die Hochbeete geben dem Platz ein grünes Gesicht. Da lässt es sich gerne Platz nehmen!

Sommerliche, adiabate Nachlüftung in den „Mikro-Commons“

Die Stiegenhäuser als attraktive lichtdurchflutete Räume sind im Sommer offen und kühlen nachts an heißen Tagen die Gebäude durch adiabate Nachtkühlung (Wassernebel) kostengünstig und nachhaltig vor. Im Winter bilden die drei Stiegenhäuser klimatische Pufferräume.

Horizont über dem Baumkronenmeer

Emilia studiert an der TU Ingolstadt. Sie genießt kontemplatives Studieren mit Blick über das Baumkronnenmeer, den weiten Horizont und die charmante Altstadtsilhouette.

nach Hause kommen im lichten Hain

Ayse arbeitet seit 3 Jahren bei Audi. Sie liebt es nach Hause zu kommen, gleitet laulos durch den Hain in das Parkhaus. Als Automobilentwicklerin weiß sie, dass die Ringstraße in Zukunft kein Problem mehr sein wird.

mirco-commons: Wohnen zum Treppenhaus

Nach dem Essen, während Anna ihren Kaffee in der Küche genießt, setzt sich Carlo gerne in den Liegestuhl bei geöffneter Wohnungstüre und tratscht mit den Nachbarn, nebenbei checkt er Emails.

Hobbyräume statt dunkle Keller

Carlo liebt es, sein Rad zu tunen während Anna in der Sonne liest. Der belichtete Einlagerungsraum und die kleine Werkstatt zwischen Garage und Foyer sind seine kleine Hobbywelt. Dort trifft er auch Nachbarn, die am Weg nach Hause vorbeischlendern.

In der Werkstatt

Luca hat einen Teilzeitjob und viel Freizeit, die er am liebsten in der Werkstatt unten im Hain verbringt, solange seine Kinder im Kindergarten sind. Luca ist als Mädchen für alles in der Nachbarschaft bekannt.



Lage: Ingolstadt, Deutschland Projektformat: Nicht offener Wettbewerb nach RPW 2013 für die Planung von öffentlich geförderten Mietwohnungen, Stargarder Straße, Ingolstadt, gefördert und durchgeführt im Rahmen des Modellvorhabens "effizient bauen, leistbar wohnen – mehr bezahlbare Wohnungen für Bayern" des Experimentellen Wohnungsbaus des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr. Projektstatus: abgeschlossen Grösse: 9.500 m2 BGF: > 12.950 m2 Planungszeitraum: 2016 Projektdauer: 3 Monate Auftraggeber: Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Ingolstadt GmbH Fachplanner/innen: Werkraum Ingenieure ZT (Tragwerksplanung), TB Käferhaus GmbH (Haustechnik, Bauphysik), YEWO Landscape (Landschaftsarchitektur) Mitarbeiter/innen: Paula Fernández San Marcos , Marta de las Heras Martínez, Heike Hümpfner, Ying-Chuan Chu, Bernhard Luthringshausen, Julie Dupont, Nikolaus Rach, Benita Tauer