Wäre die wilde Mischung von Raum, Kunst, Institution und Stadt nicht der beste Ausgangspunkt für ein neues Abenteuer in der Welt der Museen?

Der Neubau der Landesgalerie Niederösterreich soll als Landmark die Kunstmeile Krems prägen, aber auch funktional als zentrales BesucherInnenzentrum für die bestehenden Institutionen, wie die Kunsthalle Krems und das Karikaturenmuseum, fungieren. Darüber hinausgehende Synergien zwischen den Institutionen werden gesucht. Die ca. 3000 m2 große Ausstellungsfläche der Galerie soll der Kunstsammlung der Landessammlungen Niederösterreich einen neuen Auftritt bieten, aber auch Wechselausstellungen beherbergen. Die Möglichkeit einer direkten Anbindung des Gebäudes an die Schiffsanlegestelle an der Donau war im Rahmen des Wettbewerbes zu untersuchen.


Die Landesgalerie Niederösterreich schafft einen neuen Zusammenhang zwischen den Ausstellungsräumen, die an diesem Ort konzentriert sind. Die Identität der einzelnen Institutionen wird im neuen gemeinsamen Auftritt gestärkt und nach außen sichtbar gemacht. Die Institutionen sind nicht mehr untrennbar an ein bestimmtes Haus gebunden, sondern definieren sich durch ihre thematischen Inhalte und kuratorischen Konzepte. Dafür stehen ihnen alle Ausstellungsräume des Museumsfeldes zur Verfügung: Gemeinsam mit der Landesgalerie Niederösterreich spannen die Kunsthalle Krems, das Karikaturenmuseum, das Literaturhaus und das Welterbezentrum einen Möglichkeitsraum auf, der auf Basis der kuratorischen Konzepte immer neu verhandelt werden kann. Die Unterscheidung von Hoch- und Populärkultur, von Kunstgenuss und Tourismus wird unterwandert: die unterschiedlichen Arten des Sehens und der Teilnahme kommen miteinander in Berührung.

lageplan

Die bestehenden Ausstellungsgebäude bilden gemeinsam mit der Justizanstalt eine Serie von Einschließungsräumen: die Kunst ist in den Gebäuden verborgen und tritt nur durch Shops und Werbemaßnahmen in Beziehung mit dem öffentlichen Raum. Lediglich das Welterbezentrum stellt einen offenen Raum dar, der als Schnittstelle zwischen Stadt und Fluss wirkt. Diese Gebäude werden als Sammlung von Häusern betrachtet, die durch das Hinzutreten der Galerie Niederösterreich neu interpretiert werden kann. In dieser Betrachtung wird die UMNUTZUNG zum wesentlichen Aspekt ihrer Geschichte: diese Häuser wurden nicht als Ausstellungsgebäude (oder als Gefängnis) konzipiert, sie warender Produktion (Teppichfabrik, Tabakfabrik) oder der Kontemplation (Kloster) gewidmet. Selbst das Karrikaturmuseum stellt sich durch die Shed-Referenz als Abwandlung einer anderen Typologie, der Fabrik, dar.

4 HÄUSER, 1 SCHNITTSTELLE

Das neue Haus, die Galerie Niederösterreich, bettet sich als Schnittstelle zwischen die bestehenden Häuser ein. Der Stadtraum zieht sich durch das Erdgeschoß hindurch. Auf Höhe der Dächer wird das Gebäude durch eine horizontale Fuge unterbrochen: ein öffentlicher Platz gibt den Blick auf die Donaulandschaft frei. Der Steg führt vom Gebäude zur Donau; über ihn können sowohl das Erdgeschoß als auch der erhöhte Platz direkt erreicht werden.


Adäquate extravaganz

Die Spannung zwischen Zurückhaltung und Extravaganz, zwischen Einfühlung und Radikalität bildet sich auch in der Volumetrie ab. Durch die Stapelung der Funktionen kann ein Großteil des Grundstücks freigehalten werden. Als kompakte Figur bettet sich das neue Museum adäquat in den Kontext ein: Die zwei Volumina von Bauch und Kiste liegen in den Fluchten des Stadtbestands. Ausgehend von der ruhigen Grundform des Rechtecks greifen die Ausbuchtungen des „Bauchs“ in die Umgebung: sie bilden die Komplexität der Organisation ab und vernetzen die einzelnen Häuser miteinander und mit der Umgebung.

HIMMELSKISTE – LUFTKISSEN – BAUCH – FLUSSRAUM

Über den Dächern schweben die großen Ausstellungsräume: die große Halle, der Panoramagang und das Labyrinth. Sie bieten Qualitäten, die in den bestehenden Räumen nicht zu finden sind. Diese Räume sind introvertiert und bieten optimale Rahmenbedingungen. Nur durch präzise gesetzte Öffnungen wird der Blick auf Donau und Wagram gerahmt. Auf Höhe der Dachlandschaft öffnet sich eine Fuge, die als Luftgeschoß den Blick in die Umgebung freigibt. Auch dieser Freiraum kann für Freiluft-Ausstellungen und als Skulpturengarten genützt werden. Im „Bauch“ des Gebäudes sind Verwaltung und Lager untergebracht. Jede Institution erhält einen eigenen „Nase“ und wird so nach außen sichtbar. Die größte Nase führt zum Steg in Richtung Donau: sie beherbergt als Passage einen Ausstellungsraum mit intensiv öffentlichem Charakter. Der Boden der Stadt zieht sich durch das Gebäude hindurch in Richtung Donau. Die Trennung von Innen und Außen ist transparent und öffenbar: der Fluss der BesucherInnen wird nicht gehemmt. In diesem Bereich sind leichtfüßige Nutzungen gedacht, die sich bei Hochwasser zurückziehen können.

SCHICHTUNG

Die Volumina bilden eine Schichtung aus offenen und geschlossenen Räumen, die Bezug zu den umgebenden Niveaus nehmen: Donau, Stadtboden, Gebäudekörper, Dachlandschaft und Himmel sind die Schichten der Stadt, die durch die Volumina des Gebäudes jeweils aktiviert werden.

SCHWEBEN

Die zwei Ausstellungsräume in der „Himmelskiste“ sind stützenfrei und dadurch neutrale Behälter für alle möglichen Ausstellungsszenarien. Tragende Außenwände leiten die Deckenlasten in die zwei massiven Kernen ab. Auch der Platz im Luftgeschoß kann nach diesem Prinzip frei von Konstruktion gehalten werden. Der „Bauch“ wird über einen inneren Ring von Stützen getragen, die die beiden Kerne miteinander verbinden. Die Ausbuchtungen werden von punktuellen Stützen

Von Einschließungsräumen zu Museumspartikeln:

Die einzelnen Räume in den bestehenden Häusern und der neuen Galerie Niederösterreich ergeben ein Mosaik, das immer neu zusammengesetzt werden kann. Für jede Ausstellung können die Räume, je nach Konzept und Inhalt neu verknüpft werden. So ergeben sich unerwartete und produktive Berührungspunkte zwischen thematisch dispersen Themenfeldern. Durch diese programmatischen Spielräume wird die Identität der einzelnen Häuser gestärkt.

FREIMACHEN UND KOMPRIMIEREN

Aktivitätsräume, Verwaltung und Lagerräume werden radikal im neuen Gebäude konzentriert. Dadurch können in den Bestandsgebäuden neue Ausstellungsräume freigemacht werden. Die Kunst kann in die 1. Reihe nachrücken und in einen direkten Kontakt mit dem öffentlichen Raum treten. Die Stadt selbst wird zum Foyer des Museums: die Wege der Ausstellungen beleben den Zwischenraum.

RÄUME-SAMMLUNG

Die Implantation der Galerie Niederösterreich dient nicht nur der Ökonomisierung und Zentralisierung des Betriebs, sondern wird zum Anlass, das Verhältnis zwischen den einzelnen Institutionen zu reflektieren und einen produktiven Austausch zu provozieren. Als neues Haus ermöglicht die Galerie Niederösterreich eine Umschichtung der Funktionen innerhalb aller Häuser: sie übernimmt die Funktion einer Schnittstelle und erlaubt es den anderen Häusern, in einen direkten Kontakt mit dem öffentlichen Raum zu treten. Die Kunstmeile setzt sich nicht mehr aus einzelnen Museumsinseln zusammen, sondern besteht aus kommunizierenden Gefäßen, die den Zwischenraum einbeziehen. Die Umschichtung bzw. Konzentration von Funktionen hinterlässt in den bestehenden Gebäuden Leerstellen, welche die Möglichkeit des Kuratierens erweitern (siehe „Die neue Sammlung).

DIE NEUE SAMMLUNG:

Durch die funktionale Konzentration von Aktivitätszone, Verwaltung und Lagerräumen im Gebäude der Galerie Niederösterreich entleeren sich die bestehenden Gebäude. Die „dienenden“ Räume werden decodiert und für eine Nutzung als Ausstellungsraum freigemacht. Als Räume, die nicht primär als Ausstellungsräume gedacht waren, erweitern sie das Spektrum an Möglichkeiten und bieten Raum für ein produktives Aufeinandertreffen des Bestands mit dem Ausstellen als kuratorischer Intervention. Alte und neue Ausstellungsräume bilden eine neue Sammlung von Räumen, die den Institutionen zur Verfügung steht. Die unterschiedlichen Qualitäten der Räume können nun, über die Häuser hinweg, durch die kuratorischen Inhalte verknüpft werden.

ZIRKULIEREN

Der Steg von der Donau trifft auf das Gebäude und verzweigt sich dort. Einerseits läuft er in der Passage weiter, einre öffentliche Galerie, die auch als Foyer und Veranstaltungsraum aktiviert werden kann. Außerdem verbindet er sich über eine Außentreppe direkt mit dem Platz im Luftgeschoß, der dadurch zu einer Erweiterung des Stadtraums wird. Durch diese Passage und über den Platz gelangt man zum südlichen Kern. Dieser Bereich kann optional auch außerhalb der Öffnungszeiten des Museums geöffnet bleiben. Die zwei vertikalen Kerne vermitteln zwischen den unterschiedlichen Schichten des Gebäudes. Der Wechsel von einer Ebene zur anderen wird als bewusste Zäsur zwischen verschiedenen Welten inszeniert, möglichst verbunden mit einem Ausblick in die Landschaft.

Die zwei Ausstellungsräume in der „Himmelskiste“ sind stützenfrei und dadurch neutrale Behälter für alle möglichen Ausstellungsszenarien. Tragende Außenwände leiten die Deckenlasten in die zwei massiven Kernen ab. Auch der Platz im Luftgeschoss kann nach diesem Prinzip frei von Konstruktion gehalten werden. Der „Bauch“ wird über einen inneren Ring von Stützen getragen, die die beiden Kerne miteinander verbinden. Die Ausbuchtungen werden von punktuellen Stützen.



FLUSSRAUM

Erdgeschoss

BAUCH

1. Obergeschoss

BAUCH

2. Obergeschoss

LUFTKISSEN

3. Obergeschoss

HIMMELSKISTE

4. Obergeschoss

HIMMELSKISTE

5. Obergeschoss



Lage: Krems, Österreich Projektformat: Offener zweistufiger Realisierungswettbewerb mit anschließendem Verhandlungsverfahren für die Vergabe von Planerleistungen (Oberschwellenbereich), Galerie Niederösterreich, Krems Projektstatus: abgeschlossen Grösse: 4.000 m2 BGF: > 4.000 m2 Planungszeitraum: 2014 Projektdauer: -2 Monate Auftraggeber: Land Niederösterreich Fachplanner/innen: Werkraum Wien Ingenieure (Tragwerksplanung) Mitarbeiter/innen: Fabian Lorenz, Javier Figuerola, Lukas Brotzge, Peter Peternell, Bernhard Angerer